«Hol mir schnell den Katzenbock» – Skurrile Begriffe aus dem Schreinereialltag
Was hat ein Katzenbock in der Werkstatt verloren? Und was ist das überhaupt? Das mag sich wohl eine aussenstehende, nicht handwerkende Person denken. Doch tatsächlich gehört dieser Begriff wie zahlreiche andere zum täglichen Vokabular der Schreinerinnen und Schreiner. Und eines sei gesagt: Es gibt noch weitere schräge Begrifflichkeiten und Weisheiten, wie unsere Auswahl zeigt.
Mischa Link
So könnte man sich einen Katzenbock vorstellen.
In jeder Branche wird der Dialog geprägt von Fachbegriffen – ob offiziellen oder inoffiziellen. Der Zweck solcher Begriffe ist es, ein einheitliches Verständnis zu schaffen. Man weiss, wovon die Rede ist, ohne grosse Erklärungen anzuleiten.
 Doch die Verständlichkeit ist meistens auf jene Personen beschränkt, die in der bestimmten Branche tätig sind. Für andere klingt das schnell wie Fachchinesisch, wenn Fachkräfte unter sich über bestimmte Themen sprechen.
Die Schreinerinnen und Schreiner bilden hier keine Ausnahme. Auch in ihrem täglichen Sprachgebrauch mischen sich Begriffe und Weisheiten ein, die beispielsweise bei einem Bürolisten – wie es der Autor dieses Artikels einer ist – im ersten Moment nur ein grosses Fragezeichen im Gesicht hinterlassen.
 In diesem Artikel haben wir Begriffe und Weisheiten zusammengetragen, die aus dem täglichen Sprachgebrauch unserer Schreinerinnen und Schreiner nicht mehr wegzudenken sind – und die Erklärung bedürfen.
Das Blindholz
Zu Beginn ein Wort, das im ersten Moment für Stirnrunzeln sorgen kann. Doch etwas genauer angeschaut, ist es recht simpel herzuleiten. Denn hier geht „blind“ mit unsichtbar einher.
 Die Kombination blind und Holz kann somit mit unsichtbarem Holz gleichgestellt werden. Und im Grunde genommen ist es genau das: ein Holzbauteil in einem Möbelstück oder Einbau, das in erster Linie nicht ersichtlich ist. Es wird verdeckt von einer Blende oder anderweitigen Bauteilen. Doch das Blindholz ist keineswegs zu unterschätzen. Denn es ist für die besonders wichtige Stabilität der Bauten verantwortlich.
Der Schweifhobel
Eine Weihnachtsdekoration? Statt ein Stern trägt ein Hobel den Schweif? Naja, wäre eine hübsche Idee. Jedoch weit gefehlt. Denn der Schweifhobel ist – wie der gewöhnliche Hobel auch – ein Werkzeug. Nur bei dieser Ausführung handelt es sich um eine spezielle Variante.
 Der gewöhnliche Handhobel besitzt eine gerade Sohle, mit der nur gerade Holzoberflächen bearbeitet werden können. Im Gegensatz dazu trägt der Schweifhobel eine geschwungene Sohle. Diese ermöglicht die Bearbeitung von gerundeten Flächen und kommt häufig im herkömmlichen Bootsbau zum Einsatz.
Der Schwalbenschwanz
Hier sind leider alle Tierfreunde zu enttäuschen. Spricht eine Schreinerin oder ein Schreiner vom Schwalbenschwanz, ist weder die Schwanzfeder des Vogels, noch der bunte Schmetterling gemeint. Denn dieser Fachbegriff bezeichnet eine Verbindungsart, die beispielsweise bei Schubladen oder Truhen angewendet wird.
 Grundsätzlich handelt es sich hierbei um eine Keilverbindung. In das erste Werkstück werden Keile eingearbeitet, die dem Schwanz der Schwalbe ähneln. Das zweite Werkstück erhält das Negativ der Keile. Zusammengesetzt ergibt das eine massive Verbindung, die ohne Nägel, Schrauben oder dergleichen auskommt.
Der Frosch
Auch dieser Begriff mutet zuerst tierisch an. Aber auch hier findet er ausserhalb der Tierwelt Verwendung. In der Schreinerei bezeichnet „Frosch“ ein kleines Werkzeug oder Bauteil. Ist in der Werkstatt also von einem Frosch die Rede, handelt es sich in der Regel um ein kleines Werkstück.
Der Katzenbock
Vermeintlich animalisch bleibt es mit dem Katzenbock. Doch bevor das Kopfkino anläuft, sei erwähnt: Es ist nicht wirklich eine Mischung aus einem Bock und einer Katze.
 Unter dem Katzenbock versteht man ein klapp- und tragbares Gestell, auf dem gearbeitet werden kann. Besonders auf der Montage findet dieses Arbeitsgerät Verwendung. Es ermöglicht die Bearbeitung von Werkstücken auf einer angenehmen Höhe. Sei es Zuschneiden, Hobeln, Schleifen oder Schrauben: Der Katzenbock nimmt das Bauteil auf. Woher der Name rührt, kann man sich wohl denken.
«Alles im Lot»
«Na, ist alles im Lot?», heisst es umgangssprachlich, wenn sich jemand danach erkundigt, ob alles in Ordnung ist. Im Handwerk besitzt dieser Ausdruck eine weitere – und eigentlich ursprüngliche – Bedeutung. Denn ist etwas im Lot, dann ist es gerade, senkrecht zum Boden.
 Schreinerinnen und Schreiner prüfen die Senk- und Waagrechte mit der Wasserwaage. Im Wasserwaagen-Profil befinden sich hierfür zwei Schaufenster mit einer vertikalen und einer horizontalen Libelle – ein weiterer tierischer Begriff. Dabei handelt es sich um ein mit Flüssigkeit gefülltes, transparentes Röhrchen mit einer Luftblase. Befindet sich die Blase just zwischen beiden Linien, ist das Bauteil gerade – also im Lot.
«Lieber ein krummer Tisch als ein gerader Kunde.»
Im Grundsatz ist für die Schreinerin und den Schreiner die Genauigkeit ihrer Arbeit das höchste Gebot. Nichts darf krumm oder schräg sein. Doch hier gibt es eine Ausnahme: nämlich, wenn es der Kunde so will.
 Natürlich ist es wichtig, ein sauberes Produkt abzuliefern. Doch besteht die Kundschaft auf etwas anderes, dann gilt es, dies so umzusetzen. Auch wenn es ein krummer Tisch ist – wie es im Sprichwort heisst.
«Hoble nie gegen den Strich.»
Das Holz in Form von Brettern oder Kanthölzern, wie wir sie für gewöhnlich verarbeiten, besitzt einen Lauf. Dieser entsteht durch die Jahresringe der Bäume und die Art und Weise, wie sie in der Sägerei verarbeitet werden.
 Bei der Bearbeitung des Holzes ist für Schreinerinnen und Schreiner besonders darauf zu achten, stets in Laufrichtung – also parallel zu den Linien – zu arbeiten. Egal ob schleifen oder hobeln: Dieses Gebot gilt immer!
 Wieso? Das Bearbeiten des Holzes gegen den Strich – also rechtwinklig zu den Linien – birgt das Risiko von Ausrissen. Die Hobelklinge schneidet die Holzfasern nicht sauber ab, sondern reisst diese teilweise grossflächig aus. Unschöne Ausrisse, raue Stellen und gegebenenfalls kleine Krater zieren dann die Oberfläche. In zeitintensiver und mühsamer Nacharbeit müssen diese dann ausgebessert werden. Darum: «Hoble nie gegen den Strich. Ausser, du willst Ärger.»